1000 Jahre Pfarre Stockerau, die Jahre 1500 - 1600

In unserer Stadtzeitung gab es 2012 eine Serie von Berichten über die Geschichte der Stadt Stockerau im letzten Jahrtausend, die natürlich auch den Hintergrund der Pfarrgeschichte unserer im Jahr 2014 1000-jährigen Pfarre bildet. Wir haben freundlicherweise von der Redaktion der Stadtzeitung und der Autorin Gabriele Gruber-Redl die Freigabe zur Veröffentlichung in unseren Medien bekommen. Hier ist wieder ein Jahrhundert. Alle bisherigen sieben Jahrhunderte finden Sie unter dem Tag "Stadtgeschichte".

Wappenverleihung

Unter Kaiser Maximilian I. herrschten im Land Ruhe und Ordnung und Handel und Verkehr blühten auf. So auch in Stockerau, das sich über die wohlwollende Gunst des Herrschers und Kaisers erfreute. 
Richter und Rat der Gemeinde baten den Kaiser um ein Wappen, der diesen Wunsch erfüllte. Kaiser Maximilian I. verlieh am 6. Juni 1514 ein Wappen an Stockerau.
Im Wappenbrief, der im Original im Bezirksmusem Stockerau zu sehen ist, wurde ganz genau beschrieben wie das Wappen auszusehen hat: Österreichischer Bindenschild, in dessen unterem roten Feld ein Baumstock in Gold ist, der zum Teil in die weiße Binde hineinreicht und aus dem eine Wurzel bis in das obere Feld reicht, die eine grüne Baumkrone trägt.

Im Originaltext ein bisschen anders zu lesen: Ainen roten schild und gleich in der mitt ain praiden weißen strich und veld im grundt desselben schilds ain goldfarber stoch mit wurtzen in das weiß veld aufsteigund und kerennde, daraus entspringend in das ober rottail durch das weiß veld ain gruner pawm, wie dann in mitte dits unsern briefs gemalet und mit farben aigenntlicher ausgestrichen ist. 

Wie man an der Beschreibung des Wappens in der Urkunde aus 1514 deutlich erkennen kann, handelt es sich um keinen bestimmten Baum sondern ganz einfach nur um einen grünen Baum. Das Wappen ist ein sehr schönes Wappen, denn es beweist über die Jahrhunderte hinweg bis in unsere jetzige Zeit eine sehr gelungene Symbolik. Es verweist mit der Baumwurzel auf die Wurzeln, die Anfänge Stockeraus, als der dichte Auwald gerodet wurde und die „Stocker“ die Baumwurzeln ausgruben. Der junge aufstrebende Baum mit seiner reichen Baumkrone deutet auf eine erfolgreiche Siedlung, die wächst, blüht und gedeiht, wo man sich niederlassen und gut leben kann. Es ist ein friedliches Wappen, ohne kriegerische Darstellungen von Waffen, Rittern, Rüstungen oder dergleichen. Besonders in Zeiten von Umweltverschmutzung und –zerstörung können wir sehr wohl stolz sein auf ein Wappen mit einem Motiv aus der Natur.
Mit der Verleihung des Wappens erlaubte der Kaiser auch, dieses Wappen als Marktsiegel zu gebrauchen. Anfangs fand das Siegel nur bei „redlichen sachen“ Verwendung. Das heißt, nur besonders wichtige Schriftstücke, wie Schreiben an andere Orte, Herrschaftsbesitzer, an das Vicedomamt (vergleichbar mit der heutigen Landesregierung bzw. Finanzamt), Bürgschaften und ähnliches wurden mit dem Siegel unterfertigt.

Eine neue Bewegung in Glaubensfragen kam auch nach Stockerau. Die Menschen störten sich an Lehren der römisch-katholischen Kirche und waren über Missstände innerhalb der Kirche verärgert und wünschten sich Veränderungen. Der Ablasshandel war ein großer Kritikpunkt. Durch den Kauf von Ablassbriefen konnte man sich von Sünden freikaufen. „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ (Ablassprediger Johann Tetzel). Finanziert wurde mit dem eingenommenen Geld z.B. der Bau des Petersdoms in Rom. Martin Luther forderte von der Kirche Reformen und verfasste 1517 seine Thesen, in denen er gegen die Finanzgeschäfte der Kirche protestierte.

Auch in Niederösterreich fanden die Lehren Luthers Anhänger. Die Stockerauer besuchten in den benachbarten Schlössern Prediger, um das Wort Gottes zu hören. Georg Wolf war in Stockerau Priester und protestierte gegen diese Angewohnheit der Bevölkerung. Am 8. August 1584 klagte er darüber, dass die „Prädikanten“ sich häuslich einrichten, öffentliche Schulen errichten, in den Häusern der Bauern predigen und „das arme Bauernvolk irreführen“ und ihre falschen, ketzerischen und sektiererischen Lehren verbreiten. Vorerst unterstützte ihn der Marktrat bei seiner Beschwerde, obwohl sich die Bewohner und Bürger des Marktes bereits wenig um ihren Pfarrer kümmerten und ihn eher verhöhnten. Schlussendlich verklagten sie den Pfarrer und beschuldigten ihn, dass er keinen Kaplan habe und immer in Tulln sei. Der Pfarrer von Leitzersdorf wurde beauftragt, diese Sache zu untersuchen und konnte keine Schuld des Stockerauer Pfarrers erkennen. Die Folge daraus war, dass Georg Wolf zum Inquisitor von Stockerau bestellt wurde und Machtbefugnisse hatte, vor denen der Markt zitterte. Der Schulmeister, ein Anhänger der Lehren Luthers, wurde abgesetzt und alle wichtigen Positionen in der Gemeinde wurden vom Pfarrer mit Katholiken besetzt. Kein Geselle durfte aufgenommen werden, der nicht katholisch war.

Am 2. Juni 1589 starb Pfarrer Wolf und hinterließ seine Habe den Armen von Stockerau, armen Pfarrern, dem Schulmeister und Organisten.

Aus „Geschichte der Stadt Stockerau“, Starzer, 1911.

Veröffentlicht in UNSERE STADT – April 2012
Autorin: Gabriele Gruber-Redl
Mit freundlicher Erlaubnis der Stadtamtsdirektorin Dr. Riedler