Auch heute gibt es eine Predigt

Die Predigt von Pfarrer Markus Beranek am Sonntag, den 28. Jänner 2018.

Predigt 4. Sonntag im Jahreskreis

Ein für viele schwieriger Blick auf Jesus, den uns das heutige Evangelium eröffnet. Am Tag nachdem Jesus die ersten Jünger gesammelt hat ist Sabbat und er geht mit ihnen in Kafarnaum in die Synagoge. Sie treffen dort auf einen Mann, der von einem unreinen Geist besessen ist. Die Evangelien erzählen oft davon, dass Jesus Dämonen ausgetrieben hat und dass er auch ausdrücklich seinen Jüngern den Auftrag gibt, das zu tun. Von Besessenheit und Dämonen zu reden verbinden wir fast immer mit Filmen wie „dem Exorzisten“ und das verstärkt für die meisten Menschen mehr den Eindruck, dass hier höchst suspekte Dinge geschehen.

Viele Afrikaner würden sich zum Beispiel hier leichter tun. Es gibt nicht so wenige Kulturen, in denen die Vorstellung von Besessenheit auch heute selbstverständlich verbreitet ist. Vielleicht haben wir solche Deutungen auch stark mit dem kulturellen Kontext zu tun. In unserer westlichen Welt sind wir es heute gewohnt solche Phänomene viel stärker als eine Form von Krankheit zu deuten und sie mit Methoden der Medizin und Psychotherapie zu bearbeiten.

Ich lade ein, dass wir einmal bei diesem ungewohnten, fremden Bild Jesu bleiben. Dieser Mann in der Synagoge ist nicht Herr seiner selbst. Er ist Kräften ausgesetzt, die ihn massiv in seiner Freiheit beschränken.  Die Kraft, die die Bibel als „unreinen Geist“ beschreibt nimmt den Mann in Beschlag, sie erlebt Jesus als Bedrohung und sie spricht gleichzeitig etwas ganz Wesentliches aus „du bist der Heilige Gottes“.

Wenn die Bibel von Dämonen redet, dann deute ich das als ein Bild für alles, was Menschen in Beschlag nimmt, was sie daran hindert, ihr Leben und ihre Freiheit zu entfalten. Das können höchst belastende Erfahrungen aus der eigenen Lebensgeschichte sein, die heftig weiterwirken. Das können momentane Lebensumstände sein – eine mühsame Beziehung oder eine ganz belastete Arbeitssituation. Im Extremfall können Menschen so sehr in ihrer belsteten Situation verwoben sein, dass jeder Lösungsversuch als Bedrohung erscheint, weil er anscheinend diese instabile Situation noch mehr gefährdet.

Jesus hat auch hier keine Berührungsängste. Er stellt sich dem heiklen Thema. Er spricht den unreinen Geist direkt an – und damit verliert dieser seine Macht. Mich erinnert das an belastete Situationen, an Konflikte, wo oft eine Erleichterung eintritt, wenn es gelingt, das heikle Thema in einer klaren, aber dennoch wohlwollenden Weise anzusprechen, ohne neue Vorwürfe zu machen.

Im Markusevangelium ist diese Geschichte die erste Heilung, die Jesus vollbringt. Sie illustriert die Kernbotschaft von Jesus „die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt an das Evangelium“. Das Reich Gottes bricht dort an, wo Menschen von zerstörerischen Kräften befreit werden. Jesus wird dann seinen Jüngern den Auftrag geben, auch selbst in dieser Weise tätig zu werden.

Dieses etwas irritierende Evangelium hat den Vorteil, dass es für vielfältige Deutungen offen bleibt und uns genau deshalb inspirieren kann:

  • Sprache schafft Wirklichkeit. Wie wir gesellschaftlich oder auch im persönlichen Umgang über und mit anderen Menschen reden, kann das andere einengen, abwerten und unterdrücken oder Menschen aufatmen lassen, frei setzen und ermutigen.
  • Ich denke an Menschen in ganz schwierigen Lebenssituationen. Oft hilft mir hier weiter, wenn ich mir eingestehe, dass ich selber ratlos bin. Aber dann kann ich eine Zeit lang da sein – ohne mich jedoch von der Angst oder Traurigkeit anstecken zu lassen. Manchmal schafft das schon ein wenig Ruhe und Sicherheit.
  • Manchmal erlebe ich selbst wie viele Gedanken mit durch den Kopf schwirren – wenn ich den Kopf zu ganz voll habe, dann ist für mich die Rede von den Dämonen ein starkes Bild. Oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mit all dieser Unruhe in die Stille gehen kann und dass sich dann diese Gedanken zu ordnen beginnen und Lösungswege sichtbar werden.

In der Nähe Jesu können wir aufatmen. In der Nähe Jesu können wir andere aufatmen lassen. Die Stelle von der Austreibung des unreinen Geistes bestärkt uns, dass der Glaube einen Weg zu einem inneren Frieden und zu einer größeren Freiheit ermöglichen kann.

Das Evangelium, auf das sich die Predigt bezieht:
In Kafarnaum ging Jesus am Sabbat in die Synagoge und lehrte. Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten. In ihrer Synagoge saß ein Mann, der von einem unreinen Geist besessen war. Der begann zu schreien:
Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes.
Da befahl ihm Jesus: Schweig und verlass ihn!
Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei. Da erschraken alle, und einer fragte den andern: Was hat das zu bedeuten? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl. Und sein Ruf verbreitete sich rasch im ganzen Gebiet von Galiläa.

Und hier geht es zu allen Bibeltexten des Sonntags.