Predigt vom ungläubigen Thomas
An diesem Wochenende geht es um den "ungläubigen", weil ehrlichen Thomas. Nicht, dass wir einen neuen Pfarrer hätten, der Thomas heißt - wie vielleicht manche den Titel dieses Beitrags lesen. Nein, Pfarrer Markus Beranek (er predigt ja am liebsten Themen aus dem Markus-Evangelium) hat uns seine Sonntagspredigt samt einer Kurzfassung für Eilige (am Ende des Artikels) geschickt.
Predigt 2. Sonntag der Osterzeit 2017 Joh 20,19-31
Eigenartig, dass gerade Thomas als der Ungläubige bezeichnet wird. Petrus hat nach der Verhaftung Jesu im Hof des Hohenpriesters auch nicht gerade ein Glaubenszeugnis hingelegt, als er jede Verbindung mit Jesus abgestritten hat. Den Titel der „Ungläubige“ verdankt Thomas meiner Meinung vor allem einer Eigenschaft: dass er einfach ehrlich ist. Er bemüht sich gar nicht drum, seine Zweifel zu verstecken. Lauthals verkündet er, dass er es schlicht und einfach nicht glauben kann, dass Jesus lebt, obwohl ihm das seine Freude klar zu machen versuchen.
Ein sehr heutiger Mensch. Einer, der durch und durch authentisch ist. Der lieber auf Widerstand stößt, als sich selbst zu verbiegen. Also lieber „ungläubig“ als ein Frömmler, ein „Kerzenschlucker“, einer der sich fromm gibt, aber dessen Glaube nur Fassade ist.
Ich glaube, das Thomas in seiner selbstbewussten Behauptung, dass er Jesus selber begegnen und seine Wunden berühren will seine tiefste Sehnsucht zum Ausdruck bringt. Thomas sitzt der Schreck des Karfreitags in den Knochen. Thomas weiß, tot ist wirklich tot. Dieser Realismus bewahrt den Thomas davor in eine fromme Welt hinein abzuheben. Wenn Jesus lebt, dann nur mitsamt den tödlichen Wunden, die ihm zugefügt wurden.
Wenn wir als Kirche weniger werden, wenn geliebt Traditionen wegbrechen, dann erleben wir auch heute die Wunden Jesu.
Wenn Kirche mit ihren dunklen Seiten konfrontiert ist: Missbrauch von Macht und Sexualität in vielfältigen Formen – dann erleben wir die Wunden Jesu.
Wenn Menschen die mühsamen Seiten des Lebens erfahren, plötzlich von Krankheit überfallen und von Krisen überrollt werden, dann erleben wir die Wunden Jesu.
Wenn unser kindlicher Glaube zerbröselt, wenn uns die Frage nach Gott unruhig macht und auf einmal in unserer religiösen Vorstellung nichts mehr so ist wie vorher: dann erleben wir die Wunden Jesu
Und die erste Reaktion ist wie bei Thomas: es tut weh. Es tut unendlich weh. Es gibt kein Auskommen. Es kommt einem dabei (fast) der Glaube abhanden. Das Bild von Jesus, das Thomas hatte, ist zerbrochen, seine jugendliche Euphorie verraucht. Was bleibt ist nur eine brennende Sehnsucht. „Wenn ich nicht die Male der Nägel sehe und meine Finger nicht in seine Wunden lege glaube ich nicht.“ Thomas wünscht sich keinen Jesus der so auftaucht als wäre nichts gewesen und alles geht weiter wie vorher. Sondern er sehnt sich danach, dass Jesus mitsamt seinen Wunden, durch seine tödlichen Wunden hindurch lebendig wird. Die grausamen Wunden der Folterung werden zum Erkennungszeichen.
Als Thomas dann Jesus tatsächlich begegnet, braucht er nicht mehr hinzugreifen. Er glaubt nicht trotz der Wunden, trotz des Leides, das Jesus erlebt hat, sondern er glaubt, weil der Jesus mit seinen Wunden der Lebendige ist.
An der Seite des ungläubigen Thomas können wir glauben lernen,
Dass in allem Niedergang von Kirche Gott neue Zukunft erstehen lässt
Dass in allen dunklen Seiten der Institution und der Menschen in der Kirche das Licht dennoch leuchtet
Dass aller Unglaube und Zweifel gar nicht so sehr der Niedergang des Glaubens, sondern oft vielleicht eine tiefe, verletzte Sehnsucht nach Gott ist
Dass in allen Grenzerfahrungen von Krankheit und Krisen Gott noch lange nicht sein letztes Wort gesprochen hat
Meine tröstlichste Osterfahrung ist, dass ich dem Auferstandenen gerade in meinen Wunden und Defiziten begegne. Dort, wo ich mit meinen dunklen Seiten konfrontiert bin erlebe ich umso stärker: es sind nicht meine großen Leistungen, es ist nicht mein vorbildlicher Glaube. Ich stehe da – suchend, fragend, verwundet und erfahre voll Staunen, dass der Auferstandenen Jesus mich gerade in den Wunden meines Lebens berührt, weil sie mich für den Lebensstrom Gottes öffnen.
Predigt 2. Sonntag der Osterzeit 2017 - Kurzfassung
Thomas ist erschüttert über den Tod Jesu.
Deshalb kann er nicht einfach ganz schnell glauben.
Thomas hat Jesus geliebt und alles auf ihn gesetzt. Nach dem Karfreitag ist seine Sehnsucht nur noch größer geworden. Der angebliche Unglaube des Thomas ist eine tiefe Sehnsucht nach dem lebendigen Gott.
Thomas sucht keinen Jesus, der aus dem Grab herauskommt als wäre nichts gewesen.
Thomas sehnt sich danach, dass der bis in den Tod verwundete Jesus durch seine Wunden hindurch lebendig wird.
Und Thomas hofft nicht vergeblich.
Wo Menschen erleben, wie in allem Niedergang von Kirche neue Zukunft entsteht:
Wo Menschen erfahren, dass ihr kindlicher Glaube zerbricht und daraus etwas ganz Neues erwächst:
Wo Menschen schwere Krisen in ihrem Leben durchleiden und daran reifen:
Überall dort begegnet Thomas auch heute dem Lebendigen, auferstandenen Jesus.
Predigt 2. Sonntag der Osterzeit 2017 Joh 20,19-31
Eigenartig, dass gerade Thomas als der Ungläubige bezeichnet wird. Petrus hat nach der Verhaftung Jesu im Hof des Hohenpriesters auch nicht gerade ein Glaubenszeugnis hingelegt, als er jede Verbindung mit Jesus abgestritten hat. Den Titel der „Ungläubige“ verdankt Thomas meiner Meinung vor allem einer Eigenschaft: dass er einfach ehrlich ist. Er bemüht sich gar nicht drum, seine Zweifel zu verstecken. Lauthals verkündet er, dass er es schlicht und einfach nicht glauben kann, dass Jesus lebt, obwohl ihm das seine Freude klar zu machen versuchen.
Ein sehr heutiger Mensch. Einer, der durch und durch authentisch ist. Der lieber auf Widerstand stößt, als sich selbst zu verbiegen. Also lieber „ungläubig“ als ein Frömmler, ein „Kerzenschlucker“, einer der sich fromm gibt, aber dessen Glaube nur Fassade ist.
Ich glaube, das Thomas in seiner selbstbewussten Behauptung, dass er Jesus selber begegnen und seine Wunden berühren will seine tiefste Sehnsucht zum Ausdruck bringt. Thomas sitzt der Schreck des Karfreitags in den Knochen. Thomas weiß, tot ist wirklich tot. Dieser Realismus bewahrt den Thomas davor in eine fromme Welt hinein abzuheben. Wenn Jesus lebt, dann nur mitsamt den tödlichen Wunden, die ihm zugefügt wurden.
Wenn wir als Kirche weniger werden, wenn geliebt Traditionen wegbrechen, dann erleben wir auch heute die Wunden Jesu.
Wenn Kirche mit ihren dunklen Seiten konfrontiert ist: Missbrauch von Macht und Sexualität in vielfältigen Formen – dann erleben wir die Wunden Jesu.
Wenn Menschen die mühsamen Seiten des Lebens erfahren, plötzlich von Krankheit überfallen und von Krisen überrollt werden, dann erleben wir die Wunden Jesu.
Wenn unser kindlicher Glaube zerbröselt, wenn uns die Frage nach Gott unruhig macht und auf einmal in unserer religiösen Vorstellung nichts mehr so ist wie vorher: dann erleben wir die Wunden Jesu
Und die erste Reaktion ist wie bei Thomas: es tut weh. Es tut unendlich weh. Es gibt kein Auskommen. Es kommt einem dabei (fast) der Glaube abhanden. Das Bild von Jesus, das Thomas hatte, ist zerbrochen, seine jugendliche Euphorie verraucht. Was bleibt ist nur eine brennende Sehnsucht. „Wenn ich nicht die Male der Nägel sehe und meine Finger nicht in seine Wunden lege glaube ich nicht.“ Thomas wünscht sich keinen Jesus der so auftaucht als wäre nichts gewesen und alles geht weiter wie vorher. Sondern er sehnt sich danach, dass Jesus mitsamt seinen Wunden, durch seine tödlichen Wunden hindurch lebendig wird. Die grausamen Wunden der Folterung werden zum Erkennungszeichen.
Als Thomas dann Jesus tatsächlich begegnet, braucht er nicht mehr hinzugreifen. Er glaubt nicht trotz der Wunden, trotz des Leides, das Jesus erlebt hat, sondern er glaubt, weil der Jesus mit seinen Wunden der Lebendige ist.
An der Seite des ungläubigen Thomas können wir glauben lernen,
Dass in allem Niedergang von Kirche Gott neue Zukunft erstehen lässt
Dass in allen dunklen Seiten der Institution und der Menschen in der Kirche das Licht dennoch leuchtet
Dass aller Unglaube und Zweifel gar nicht so sehr der Niedergang des Glaubens, sondern oft vielleicht eine tiefe, verletzte Sehnsucht nach Gott ist
Dass in allen Grenzerfahrungen von Krankheit und Krisen Gott noch lange nicht sein letztes Wort gesprochen hat
Meine tröstlichste Osterfahrung ist, dass ich dem Auferstandenen gerade in meinen Wunden und Defiziten begegne. Dort, wo ich mit meinen dunklen Seiten konfrontiert bin erlebe ich umso stärker: es sind nicht meine großen Leistungen, es ist nicht mein vorbildlicher Glaube. Ich stehe da – suchend, fragend, verwundet und erfahre voll Staunen, dass der Auferstandenen Jesus mich gerade in den Wunden meines Lebens berührt, weil sie mich für den Lebensstrom Gottes öffnen.
Predigt 2. Sonntag der Osterzeit 2017 - Kurzfassung
Thomas ist erschüttert über den Tod Jesu.
Deshalb kann er nicht einfach ganz schnell glauben.
Thomas hat Jesus geliebt und alles auf ihn gesetzt. Nach dem Karfreitag ist seine Sehnsucht nur noch größer geworden. Der angebliche Unglaube des Thomas ist eine tiefe Sehnsucht nach dem lebendigen Gott.
Thomas sucht keinen Jesus, der aus dem Grab herauskommt als wäre nichts gewesen.
Thomas sehnt sich danach, dass der bis in den Tod verwundete Jesus durch seine Wunden hindurch lebendig wird.
Und Thomas hofft nicht vergeblich.
Wo Menschen erleben, wie in allem Niedergang von Kirche neue Zukunft entsteht:
Wo Menschen erfahren, dass ihr kindlicher Glaube zerbricht und daraus etwas ganz Neues erwächst:
Wo Menschen schwere Krisen in ihrem Leben durchleiden und daran reifen:
Überall dort begegnet Thomas auch heute dem Lebendigen, auferstandenen Jesus.